Jungle Punk,
sind Episoden, Momente und Situationen aus meinem Leben. Ein kurzweiliges Lesevergnügen, wie ich hoffe. Dies war jedenfalls meine Intention.
68 Seiten
Zu Bestellen überall wo es Bücher gibt unter der
ISBN: 978-3-7534-2625-9
auch Online und als E-Book mit der
ISBN: 978-3-7534-8749-6
Ede
Es war gar nicht mehr wichtig, wann, wo alles seinen Anfang nahm. Ich war wie immer pleite und kreuzte erstmal im Hesse-Park auf, das Viertel, die Stadt waren halt die, in der ich lebte, um ein paar Kumpels zu treffen. Kons spielte Frisbee mit Kim, der wohnte hier gleich um die Ecke, Kons wollte auch mal Chemie studieren und es war klar wofür. Und schon flog das Frisbee auf mich zu, ich passte es auf Brusthöhe ab und machte einen Innenhandwurf aus der Hüfte, den Kim gekonnt fing. „Joo ich suche Wulf, habt ihr den heute schon gesehen?“, fragte ich. „Nö der war aber gestern mit Jörn und Ede im Falkenstein Erdhorn rauchen“, erzählte Kons, „Ede hat im Handstand angeraucht und beim Ausblasen ne Rolle rückwärts gemacht“. „Auf so eine Idee kommt auch nur er, oder?“, meinte Kim und wir lachten uns schlapp. „Hat Wulf wieder was am Start oder was?“, fragte Kons. „Du kennst ihn doch“, sagte Kim. „Diesmal bin ich aber mit dabei“, verkündete Kons und Kim nur so, „Klar was sonst“, und wir grinsten uns an.
Stella
Ihre Eltern waren hierher gezogen, kurz darauf lernte ich Stella kennen. Ich hatte mir die Ciao von Viktor geliehen, der konnte alles frisieren, was nicht schneller als fünfundzwanzig fahren durfte. Dieses weiße Prachtstück war seine Meisterleistung, ich glaube, er meinte was von hundertzwanzig. Mit ihr war ich ins AfterShave gefahren. Ab vier Uhr morgens kostete es keinen Eintritt mehr. Das Shave war zugebaut mit kleinen Weißen Flächen auf die Diaprojektoren, Fotos, gemacht von allen Künstlern der Stadt, warfen. Dort auf der Tanzfläche bewegte sie sich, schwarze halbhohe Stiefeletten swingten auf den Metallplatten der Tanzfläche vor sich hin, dazu Beine ohne Ende in einer genauso schwarzen Jeans, klar dachte ich nur. Das schwarze Trägershirt erwähne ich jetzt nicht mehr. Als Stella mich sah, war ihr schon klar, mit wem sie das Shave wieder verlassen würde. Als ich Uli entdeckte, winkte er mich gleich zu sich. Er war ein schwuler EdelPunk aus Berlin und liebte mich, eisenhart, man sah es ihm nur nicht an. Seine Eltern hatten eine Glashütte in Heidelberg, schwer reich die Familie. Doch er kellnerte lieber und verkaufte Kleinkunst an Secondhand-Shops. Küsschen rechts, Küsschen links und dann quatschten und sabbelten wir erstmal. Er trug immer, also immer Rüschenhemden, enge Lederhosen und Springerstiefel, mit so viel Nietenarmbändern und Gürteln überall in allen Varianten, BadBoy Jackson wäre abgeschnallt, damit hätte man zwei Normalopunks ausstatten können. „Und du bist?“, fragte mich Stella, als sie sich mit einem Wodka Tonic neben mich setzte und mir einen Schluck anbot. Ihr jetzt einfach nur meinen Namen zu sagen wäre uncool gewesen. Ich meinte nur, „Später gekommen“. Ich weiß, Frauen stehen überhaupt nicht auf blöde Sprüche und so rettete Uli mich und antwortete netterweise, „André und Uli“. „Ah“, erwiderte sie und nahm sich ihren Drink zurück. Neben uns bekamen sich zwei Mädels in die Haare, die eine schrie die andere an, „Pass mal auf du Schrottvogel, wenn du weiter Scheiße über mich laberst, tret ich dir die Murmelstöcke in die Zentrale“, und die andere fauchte zurück, „Halt die Fresse und verpiss dich, Trockenfotze“. Uli, Stella und ich sahen uns nur an, lachten los und Uli meinte, „Die haben sich wohl ausm TopTen hierher verirrt“. Irgendwann wurde es so heftig, dass einer der Türsteher dazwischen ging und beide rausschmiss, wo sie dann draußen aufm Gehweg sich gegenseitig ihre Blüschen und Toupetfrisuren versauten, kratzen, beißen, spucken und so.
Martin
Sonntagmittag elf Uhr, Martin rief an, „Kommst du vorbei?“. „Klar“, war die Antwort. Tut, tut, tut, tut, und ich machte mich auf den Weg. Er war derjenige, durch den ich zum Zocken kam. Mich erwartete Milchkaffee, Filterkippen mit Benzinfeuerzeug-Geschmack, eine Nintendo64-Konsole mit Controllern und zwei kleine Röhrenfernseher. Wir klebten den anderen auf dem Splittscreen mit Pappe ab. Multiplayer der ersten Stunde, GoldenEye war das Spiel der Spiele. Stundenlang jagten wir uns in den sechs Leveln gegenseitig. Nach zwei Stunden kam meistens seine Freundin rein und beschwerte sich, wir trafen uns ja nicht nur sonntags. Also bekochte er sie dann erstmal und wir aßen zu Mittag. Danach ein Spaziergang die Flaniermeile herunter mit italienischem Eisbecher und dann schnell zurück in die Wohnung. Er war Artdirektor, also ums bezahlen musste ich mir keine Gedanken machen. Er fuhr auch immer nur Taxi, alles andere wäre viel zu lästig gewesen. Oder wir kurvten mit meinem Fiat Uno rum. Gerne auch nach einer Clubnacht mit Wodka pur und sehr viel später dann, jeder Menge Souflaki, um was in den Margen zu kriegen und zwei Uzo zum Runterspülen. Die Lounge, ein House Club die Kellertreppe nach unten im Rotlichtviertel, war unser Zuhause. Merry machte die Kasse oder die Garderobe, egal, für uns bedeutete es keinen Eintritt. Der Laden war seiner Zeit so um zwei Jahre voraus. Wenn wir überhaupt mal manche Mixe und Sounddesigner Ergüsse in anderen Clubs hörten, waren die schon Geschichte und öde. So ist das halt, wenn die Jungs ihr eigenes Label haben. Einer von ihnen, Peter war der Freund von Merry, mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Sonnenbrille war Pflicht nicht, um cool zu sein, nein für später, wenn man ausm Club kam, knallte einem die Sonne ins Gesicht.
Jan
Etwas weiter den Waldweg runter, saßen wir in Jans Zweinullnullzweier BMW im Waldstück der Kieskuhlen und er machte eine Mische fertig, es war unser letztes Peace. „Rauch du an“, sagte er und hielt mir die Pfeife hin. „Echt?“, meinte ich noch. „Ja“, wiederholte er. Ich nahm sie, war son billig Bruyère-Holz Teil ausm Kippenladen, zückte das Big entzündete die Mische, zog und reichte sie ihm rüber. Er wollte auch ziehen und sagte nur, „Echt jetzt Alter?“, machte das Licht über dem Spiegel wieder an, stocherte mit nem Nagel in der Asche rum und sagte, „Danke André die ist durch“. Ich antwortete ganz erstaunt, „Kann ja gar nicht sein“, blies aus und war mir keiner Schuld bewusst. „Du rauchst nie wieder an“, beschloss er für uns beide und klopfte die Asche in den Aschenbecher der Mittelkonsole. „Also gut“, versuchte ich den Abend noch zu retten, „Lass uns zu Wulf fahren, bei dem hab ich noch was gut, der ist bei Jochen“. „Das ist doch der beste Freund von Viktor, oder?“, fragte Jan nach. „Jiip“, bestätigte ich, „Der hat immer Bobel auf Tasch“, ich knipste das Licht aus, dann hörte man den Schlüsselbund rasseln. en, en, en, en, bruumm, brumm, machte es, als er das Gaspedal trat. Die Scheinwerfer gingen an, er sah nach hinten und jagte los. Der BMW hatte eine Einspritzanlage, über zweihundert PS und Breitreifen. Kurz vor der Hauptstraße riss er das Lenkrad rum, die Schnauze machte eine Hundertachtzig-Graddrehung nach vorne, er bog dann locker einfach rechts ab, entgeistert sah ich ihn an, und er nur so, „war was“, und wir donnerten die Straße entlang. Jochens Wohnung war ein alter Industrie-Klinkerbau an den Bahngleisen. Wir parkten im Treppenhaus, kurz vor der Stelle, wo es in die erste Etage ging. Bang, bang, bang machte ich dort mit der Faust gegen die Stahltür.
Gido
Konstantin, Kunststudent, hatte mich zu seiner Party eingeladen. Die Eifel war nicht gerade um die Ecke, aber das Gemäuer, so musste man es bezeichnen, stand an einem Gebirgssee, mit einer Rundbogen-Toreinfahrt, einem Kopfsteinpflaster-Innenhof, einer großen Scheune und einem Pferdestall. Und ich hatte Gido dabei, einem Lebemann, der noch durchgeknallter war, als ich, kein Kind von Traurigkeit also, bei ihm wusstest du nie, was als Nächstes kommt. Wir fuhren mit seinem Fiat Spider aus den Siebzigern dort hin, noch ein Grund mehr für viel Spaß und gute Laune. Nach einigen Zwischenstopps kamen wir am späten Nachmittag dort an. Die Sonne stand kurz über einer Bergspitze und ihre Strahlen glitzerten auf der vom Wind bewegten Wasseroberfläche. Gido fuhr gar nicht erst durch den Torbogen auf den Innenhof, sondern parkte kurzerhand neben dem Feldweg auf dem Rasen. Dann stieg er aus und sagte nur, „Alter, wie geil ist das denn hier“. „Ich habs dir doch gesagt, die Nummer wird ein Natureflash“, antwortete ich immer noch leicht verklärt von dem Joint, den wir vorhin an der Raste durchgezogen hatten. Dann sah er mich mit leuchtenden Augen an und fing an, sich auszuziehen. Schmiss seine Sachen in den Spider und rannte mit nacktem Arsch über die Wiese. Kurz darauf hörte ich nur noch ein großes „Platsch“ und von ihm ein, „Jiiihaa“. Ich suchte erstmal Kons und fand ihn dann in der Scheune, er war vollauf damit beschäftigt alles für den Abend herzurichten. „Joo hola Muchacho“, begrüßte ich ihn etwas lauter und er zuckte kurz zusammen, da er mit dem Rücken zu mir stand und mich auch nicht reinkommen gehört hatte. Er wandte sich um, seine Mähne kräuselte sich wie immer in alle Richtungen und sein vom Leben zerfurchtes Gesicht lachte mich an. Ich lachte zurück, ging auf ihn zu und wir fielen uns in die Arme. „Na Mann wie gehts, alles fit im Schritt?“, fragte ich ihn. „Aber klar, das Linke hängt schon seit eh und je etwas tiefer“, war seine Antwort, „Und habt ihr gut hergefunden“. „Die Location ist der Hammer“, bekundete ich. „Wo ist Gido?“, wollte er noch wissen. „Der is baden“, klärte ich ihn auf. „War klar, was sonst“, sagte er und wir setzten uns an den bestimmt fünf Meter langen Tisch mit jeder Menge Stühlen um ihn herum. „Du musst mich Heute Abend anmoderieren und die Musik zu den verschiedenen Choreografien einspielen“, sagte er und ich erwiderte, „Aber klar, das mach ich, lass es uns kurz durchgehen“.
Trevor
Ich stand draußen und machte schon mal die Ciao startfertig, als sich die Tür vom Shave öffnete und Stella ins Freie trat. Sie trug einen braunen Pelzmantel, ein rotes Barett und rote Lederhandschuhe. Ich war hin und weg, als sie so auf mich zukam. Was für eine Frau dachte ich nur und wahrscheinlich sah man mir auf hundert Meter an, dass ich von einem auf den anderen Moment total verknallt war. Die Ciao rödelte vor sich hin, als sie an mich herantrat und mich küsste. Mit der freien Hand zog ich sie auf dem Sattel sitzend an mich heran und strich ihr über den Rücken. Meine Lippen, wollten sich gar nicht mehr von den ihren trennen, so begierig war meine Reaktion und sie gab sich meinem Verlangen hin. „Ich wollte noch bei einem Freund vorbei schauen“, flüsterte sie, als wir voneinander abließen. „Klar warum nicht, alles was dir gefällt mein Schatz“, entgegnete ich, „Hock dich in den Fussraum und bitte gut festhalten“. Sie lächelte mich noch mal verführerisch an und kam meiner Aufforderung nach. Es dämmerte schon, als wir runter zu den Landungsbrücken fuhren. Getragen von meinen Emotionen heizte ich mit ihr die Hafenstraße Richtung Fischmarkt entlang und Stella jubelte los, berauscht von der Geschwindigkeit, mit der sie nicht gerechnet hatte. Trevor, wie sie ihn mir vorstellte, öffnete uns die Tür zu einer sehr geräumigen Altbauwohnung, auf dem großen Vorplatz am Anfang des Marktes. „Er ist so nett und stellt mir ein Zimmer hier zu meiner Verfügung, wenn ich nicht bei meinen Eltern übernachten will“, klärte sie mich auf, als wir im Wohnzimmer auf einem der Sofas Platz nahmen. Wir waren nicht die einzigen Nachtschwärmer, die sich hier eingefunden hatten. Es gab heißen Kaffee und frische Croissants und es stand auch eine Schale mit Gras auf dem Tisch, aus der sich jeder bedienen konnte, um einen Joint zu drehen, oder es pur oder durch eine Bong zu ziehen. Stella rauchte ab und zu mal ein bisschen Gras und wurde dann immer sehr anhänglich und kuschelig, sie war dann sehr süß und weich in ihrer Art, das gefiel mir natürlich außerordentlich gut und so versuchte ich, so oft wie möglich, sie nach diesem Morgen dazu zu animieren. So zogen wir uns dann auch als bald in Trevors Gästezimmer zurück. Was dann folgte, sollte unseren verheißungsvollen Kuss vor dem AfterShave mehr als nur in den Schatten stellen. Stella hatte bei Trevor wohl Sonderrechte. Am nächsten Abend holte Viktor unter Protest seine Ciao ab. Und einige Tage später war nicht nur unser Wäschevorrat, den wir uns zwischenzeitlich besorgt hatten aufgebraucht, sondern auch die Gast- und Lebensmittel-Rechte seitens Trevors.